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Sollen Zentralbanken Klimapolitik betreiben?

Warum die Forderung nach einer klimafreundlichen Anlagepolitik schwierig bis gar nicht umzusetzen ist.

Sollen Zentralbanken Klimapolitik betreiben?

Wartet auf eine EU-gültige Definition des Begriffs «grüne Anlagen»: EZB-Präsidentin Christiane Lagarde. Foto: Reuters

Aufgrund ihrer extrem expansiven Geldpolitik sind sowohl die EZB als auch andere wichtige europäische Zentralbanken wie die SNB zu Grossinvestoren auf Anleihenmärkten und teilweise auch an Börsen geworden. Sie halten riesige Portfolios unterschiedlichster Wertpapiere, welche sie im Rahmen ihrer geldpolitischen Aktionen den Geschäftsbanken abgekauft haben. Verständlich, wenn unter diesen Umständen die Forderung auftaucht, dass Zentralbanken mit ihrer Anlagepolitik auch etwas zum Klimaschutz beitragen sollen.

Die einzige Zentralbank, welche diese Forderung bereits in die Praxis umgesetzt hat, ist die Schwedische Riksbank. Ihr Governor Martin Flodén erklärte im November letzten Jahres, dass die Riksbank Investitionen in Anlagen mit einem grossen Klimafussabdruck von jetzt an ablehnen würde. Also verkaufte sie Anleihen der kanadischen Provinz Alberta und der australischen Provinzen Queensland und Western Australia.

Was hat die Riksbank damit erreicht? In diesem Fall lautet die Antwort: wenig bis nichts. Die Schwedische Zentralbank ist zu klein, um mit diesen Käufen und Verkäufen mehr als ein Zeichen zu setzen. Würden aber viele Investoren dasselbe tun, dann führte dies dazu, dass aufgrund des erhöhten Angebots und der geringeren Nachfrage nach diesen Anleihen die Zinsen stiegen. Alberta, Queensland und Western Australia müssten dann bei der Finanzierung ihrer Ausgaben tiefer in die Tasche greifen und wären für ihre Klimasünden finanziell abgestraft.

Der Teufel liegt im Detail der Umsetzung

Doch was sind die Klimasünden von Alberta, Queensland und Western Australia? Die Begründung der Riksbank lautet: Die Gewinnung des Teersandes in Alberta ist mit sehr hohen CO2-Emissionen verbunden, während Queensland und Western Australia grosse Kohleminen beherbergen. Die Provinz Alberta protestierte allerdings umgehend auf die Verkäufe ihrer Anleihen. Sie gab bekannt, dass nirgendwo sonst mehr Anstrengungen zur Reduktion von CO2-Emissionen unternommen würden und sie die höchsten Umweltstandards weltweit hätten. Man müsste also gerade in Anleihen aus Alberta investieren, wenn man einen Beitrag zum Klimaschutz leisten wolle.

Damit ist schon das Problem aufgezeigt, eine klimaverträgliche Anlagepolitik zu operationalisieren. Soll man alles, was irgendwie klimaschädlich erscheint, verkaufen bzw. ausschliessen? Das würde für den Verkauf von Anleihen aus Alberta sprechen. Oder soll man Anleihen kaufen, um damit Projekte zu finanzieren, die einen besonders grossen Beitrag zur zukünftigen Reduktion von CO2-Emissionen leisten? Das würde für den Kauf von Anleihen aus Alberta sprechen, weil CO2-Emissionen dort durch klimafreundliche Investitionen besonders stark reduziert werden. Es ist einfach, eine klimaverträgliche Anlagepolitik zu fordern, aber der Teufel liegt im Detail der Umsetzung.

Einige Vorschläge gehen dahin, die Zentralbanken zu verpflichten, nur noch in «grüne Obligationen» oder «grüne Aktien» zu investieren. Doch was sind «grüne Wertpapiere»? Das Bundesfinanzministerium in Deutschland weiss es offenbar. Es will in der zweiten Jahreshälfte 2020 erste grüne Anleihen zur Finanzierung nachhaltiger Projekte herausgeben. Die Einnahmen sollen dann in Aktivitäten rund um den Umwelt- und Klimaschutz fliessen. Die Zentralbank könnte dann einfach die vom Finanzministerium als «grün» eingestuften Anleihen kaufen und müsste sich selbst keine Gedanken mehr dazu machen, was «grün» wirklich bedeutet.

Mehr Bürokratie statt mehr Klimaschutz

Wirklich befriedigend ist das aber auch nicht. Es läuft auf eine bevorzugte Behandlung bestimmter Projekte hinaus, die relativ willkürlich mit dem Label «grün» versehen wurden. Die EZB unter Christiane Lagarde wartet deshalb auf eine für die ganze EU gültige Definition des Begriffes «grüne Anlagen». Was das heisst, kann man erahnen, wenn man den Report «Defining ‹green› in the context of green finance» der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2017 liest. Dort werden individuelle Marktstandards/Labels zur Festlegung detaillierter Anforderungen verlangt.

Dazu müsste wohl eine neue Agentur gegründet werden, die für alle Euroländer sämtliche Wertpapiere nach einem umfangreichen Kriterienkatalog auf Klimaverträglichkeit überprüft. Emittenten, welche diese Überprüfung bestehen, bekommen dann das Label «klimaverträglich», und ihre Wertpapiere dürfen von der EZB gekauft werden.

Die Forderung nach grünen Anlagen führt so mit grosser Wahrscheinlichkeit zu mehr Bürokratie, aber mit geringer Wahrscheinlichkeit zu mehr Klimaschutz. Die meisten Wertpapiere lassen sich weder eindeutig als klimafreundlich noch als eindeutig klimaschädlich einstufen. Unterteilungen des Anlageuniversums in «grün» und «nicht grün» werden der Realität nicht gerecht. Also sollten sich Zentralbanken bei ihrer Anlagepolitik auch nicht an solchen Unterteilungen orientieren.

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Mathias Binswanger
Binswanger begann seine akademische Laufbahn an der ETH Zürich mit dem Studium der Chemie, das er aber nach zwei Semestern abbrach, worauf er Wirtschaft an der Universität St. Gallen zu studieren begann und das Studium mit dem Lizentiat abschloss. Er wurde an der Universität Kassel promoviert und habilitierte sich wiederum an der Universität St. Gallen. 1998 wurde er von der Fachhochschule Nordwestschweiz zum Professor ernannt.
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