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Krankenzusatzversicherer: FINMA sieht umfassenden Handlungsbedarf bei Leistungsabrechnungen


Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA stellt aufgrund ihrer jüngsten Analysen fest, dass Rechnungen im Bereich der Krankenzusatzversicherung häufig intransparent sind und zum Teil unbegründet hoch oder ungerechtfertigt scheinen. Die FINMA erwartet von den Versicherern ein wirksameres Controlling, um solchen Missständen zu begegnen. Zudem fordert die FINMA die Versicherer auf, die Verträge mit den Leistungserbringern zu überprüfen und wo nötig zu verbessern. Nur unter diesen Voraussetzungen wird sie neue Spitalzusatzversicherungsprodukte genehmigen.

Die Bundesbehörden und die Versicherungsbranche beschäftigen sich seit mehreren Jahren mit der Thematik der Leistungsabrechnung im Bereich der Krankenversicherungen. Ein Ausgangspunkt waren externe Hinweise darauf, dass medizinische Leistungen gegenüber den Krankenzusatzversicherern womöglich nicht korrekt abgerechnet werden. Die FINMA nahm das Thema seither mit zunehmender Intensivität im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit auf.

2020 führte die FINMA bei einer Anzahl von Versicherern Vor-Ort-Kontrollen durch, die mehr als 50 Prozent des gesamten Prämienvolumens für private und halbprivate Spitalversicherungen abdecken. Die Analysen der FINMA zeigen, dass viele Verträge zwischen Krankenzusatzversicherern und Leistungserbringern – Ärztinnen und Ärzten sowie Spitälern – nicht für die nötige Kostentransparenz sorgen. Deswegen sind die einzelnen Leistungsabrechnungen oft intransparent. Diese Konstellation kann insgesamt zu Fehlanreizen führen und bietet Spielraum für eine zu grosszügige Kostenüberwälzung auf die Krankenzusatzversicherer, die diese Kosten in die Prämienkalkulation einberechnen und dann an die Kundinnen und Kunden weitergeben. Die FINMA sieht hier daher umfassenden Handlungsbedarf.

Was hat die FINMA konkret festgestellt?

Die Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrollen zeigen auf, dass Arzt- und Spitalrechnungen in der Krankenzusatzversicherung zum Teil unbegründet hoch oder ungerechtfertigt scheinen. In vielen Leistungsabrechnungen ist nicht ersichtlich, welche Mehrleistungen der Zusatzversicherung in Ergänzung zur definierten Fallkostenpauschale aus der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) in Rechnung gestellt werden. Als Folge davon können die Versicherer nicht effektiv kontrollieren, inwieweit die vergüteten Kosten im Verhältnis zu den tatsächlich erbrachten Zusatzleistungen angemessen sind.

  • Es kommt zu Doppelverrechnungen, was bedeutet, dass bereits in der OKP enthaltene, fallspezifische Leistungen mindestens teilweise noch einmal abgerechnet werden.
  • Liegt eine Halbprivat- oder Privat-Versicherung vor, löst das bei zahlreichen Verträgen automatisch höhere Arzthonorare aus, ungeachtet dessen, welche Ärztin und welcher Arzt aktiv wird und ob der jeweilige Patient den Anspruch der freien Arztwahl geltend gemacht hat.
  • Zudem stellen z. B. bei Produkten mit freier Arztwahl nicht nur die ausdrücklich gewählten behandelnden Ärztinnen und Ärzte Honorare in Rechnung, sondern weitere involvierte Arztpersonen. Der FINMA begegneten in ihren Stichproben Beispiele, in denen rund 40 Ärztinnen und Ärzte Honorare über die Zusatzversicherung bei einem Patienten geltend machten, ohne dass dies begründet worden wäre.
  • Für identische Behandlungen werden je nach Spital und Arztperson sehr unterschiedliche Zusatzkosten verrechnet. Bei einfachen Operationen für Hüftprothesen wurden beispielsweise zu den je rund 16’000 Franken, die als Fallpauschale von der OKP gedeckt werden, je nachdem zwischen 1’500 und bis zu 25’000 Franken zusätzlich der Zusatzversicherung in Rechnung gestellt.
  • Für Hotellerie-Leistungen werden ebenfalls sehr unterschiedliche Zusatzkosten verrechnet. Oft ist auf der Abrechnung nicht ersichtlich, welche Mehrleistung den Preisunterschied rechtfertigt. So gibt es beispielsweise in gewissen Spitälern ohnehin ausschliesslich Zweibettzimmer. Von Halbprivatversicherten wird für den Service “Zweibettzimmer” aber ein Aufpreis gegenüber der OKP verlangt.
  • Zudem bestehen Hinweise, wonach die abgerechneten Hotellerie-Kosten in den Spitälern die effektiven Kosten systematisch überschreiten können. Ein Spital beziffert beispielsweise die Mehrkosten für die Hotellerie-Leistungen für einen Halbprivatversicherten pro Fall insgesamt mit rund 200 Franken. Der Zusatzversicherung stellt es über 350 Franken pro Tag in Rechnung. Da die Verweildauer pro Fall durchschnittlich rund fünf Tage beträgt, ergibt sich daraus, dass die Rechnungen einem Mehrfachen der bezifferten Kosten entsprechen.
  • Die Versicherten erhalten i.d.R. keine Kopie der Rechnung des Leistungserbringers für die erbrachten Leistungen. Und falls doch, ist diese nur schwer verständlich. Die Versicherten können so die in Rechnung gestellten Leistungen nicht überprüfen. Die Transparenz ist nicht genügend gewährleistet.

Es ist derzeit nicht möglich zu beziffern, in welcher Grössenordnung sich die zu viel verrechneten Leistungen im Bereich der Spitalzusatzversicherungen bewegen. Die FINMA geht aber aufgrund ihrer Analysen für den Gesamtmarkt von einem signifikanten Betrag aus, der den Prämienzahlern nicht belastet werden sollte.

Die Rolle der Versicherer

“Mit einem Prämienvolumen von über 3.7 Milliarden Franken hat der Spitalzusatzversicherungsmarkt enorme Bedeutung im Gesundheitswesen und für die Patientinnen und Patienten. Umso wichtiger ist es, dass die Prämien der Privatversicherten transparent und nachvollziehbar eingesetzt werden. Kunden sollen einen fairen Preis für echte Mehrleistungen gegenüber der Grundversicherung bezahlen,” so Mark Branson, Direktor der FINMA.

Die FINMA erwartet von den Anbietern von Krankenzusatzversicherungen unter anderem, dass sie nur Abrechnungen für echte Mehrleistungen ausserhalb der obligatorischen Krankenversicherung akzeptieren. Zudem haben die Versicherer sicherzustellen, dass die verrechneten Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlichen Mehrleistungen stehen.

Die Krankenzusatzversicherer müssen gegenüber der FINMA den Nachweis erbringen können, dass die oben festgehaltenen Grundsätze eingehalten werden und wirksame Kontrollen bestehen, damit überhöhte oder unzulässige Abrechnungen verhindert werden.

Die Situation, wie sie sich aufgrund der Analysen und Vor-Ort-Kontrollen der FINMA darstellt, ruft nun nach einer möglichst raschen und umfassenden Bereinigung. Die FINMA bekräftigt daher folgende Erwartungen an die Versicherer:

  • Die Versicherer müssen dafür sorgen, dass die Leistungserbringer transparente und nachvollziehbare Abrechnungen erstellen.
  • Die Versicherer dürfen nur für Leistungen aufkommen, die wegen Mehrleistungen gerechtfertigt sind, die also über die in der OKP gedeckten Leistungen hinausgehen und preislich begründbar sind. Dafür sollen sie für vergleichbare Leistungen z. B. Quervergleiche mit anderen Leistungserbringern anstellen.
  • Die Versicherer sollen wo nötig die Verträge mit den Leistungserbringern anpassen oder neue Verträge abschliessen, um diesen Kriterien Rechnung tragen zu können.
  • Die Versicherer haben, soweit nicht bereits geschehen, ein wirksames Controlling aufzubauen, das sicherstellt, dass die erwähnten Anforderungen umgesetzt und permanent eingehalten werden.

Transparente und korrekte Leistungsabrechnung bleibt im Aufsichtsfokus

Die Aufsicht über die Leistungsabrechnung, deren Controlling und Transparenz wird in den kommenden Jahren ein Schwerpunkt der FINMA bleiben. Klar ist, dass die FINMA nur noch neue Produkte genehmigen wird, bei denen die oben erwähnten Kriterien eingehalten sind. Zudem wird sie der Grössenordnung der zu hoch verrechneten Beträge nachgehen und der Frage, was diese für die Tarife bedeuten.

Faire Prämien für die Versicherten

Die Prämie einer Versicherung ergibt sich langfristig auf der Basis der Leistung, zu der Administrativkosten und Gewinnmargen addiert werden. Wenn nun striktere Abrechnungsmodalitäten implementiert werden, wird dies Druck auf die abgerechneten Leistungskosten und damit auch das Prämienniveau ausüben. Abzuschätzen, in welchem Umfang und wie schnell diese Effekte eintreten werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwierig.

Versicherte bleiben gedeckt

Handeln Versicherer mit den Leistungserbringern, in der Regel Spitäler und Kliniken, neue Verträge aus, kann es in Übergangsphasen oder bei Uneinigkeit zu vertragslosen Situationen kommen. Hierbei sollte es sich aber um Ausnahmen von der Regel handeln. Für die Versicherten ist dabei wichtig zu wissen, dass ihre Versicherungsdeckung unabhängig von einem Vertrag zwischen der Krankenzusatzversicherung und den Leistungserbringern besteht. Den Versicherten stehen in jedem Fall die Leistungen zu, die ihnen gemäss den geltenden Vertragsbedingungen (AVB) ihrer Krankenzusatzversicherung versprochen wurden.

Enge Abstimmung und Koordination

Der Bundesrat hat 2018 ein Kostendämpfungsprogramm lanciert, das sämtliche Akteure des Gesundheitswesens in die Pflicht nimmt, und unter anderem missbräuchliche Geschäftspraktiken in der Zusatzversicherung verhindern soll.

Die FINMA nimmt mit ihren Aktivitäten ihr Mandat des Missbrauchsschutzes gegenüber den privat versicherten Personen wahr. Sie wirkt auf mehr Kostengerechtigkeit hin und auf mehr Transparenz darüber, welche Mehrleistungen wirklich erbracht werden. Erfolgen die hier aus aufsichtsrechtlicher Sicht notwendigen Korrekturen, sollte dies längerfristig den Wettbewerb im Bereich der Spitalzusatzversicherungen stärken und zu einem Markt führen, der für Kundinnen und Kunden echten Mehrwert zu einem angemessenen Preis bietet. Dies kann auch die Entwicklung neuer, innovativer Produkte fördern.

Insgesamt kann dieser Prozess Folgen auf das Gesamtsystem im Gesundheitsbereich haben. Deswegen ist eine enge Abstimmung und Koordination des Vorgehens zentral. Die FINMA steht dafür mit dem Bundesamt für Gesundheit und dem Eidgenössischen Finanzdepartement EFD im engen Austausch. Zudem steht die FINMA mit der Versicherungsbranche, mit Verbänden von Leistungserbringern und des Konsumentenschutzes sowie dem Preisüberwacher in Kontakt.

 

 

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FINMA News
FINMA is Switzerland’s independent financial-markets regulator. Its mandate is to supervise banks, insurance companies, exchanges, securities dealers, collective investment schemes, and their asset managers and fund management companies.
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